sor-ag@fmbg-berlin.de

Klassismus in Schulen

In vielen Lebenslagen, begegnen wir Klassismus, auch in der Schule. Es fängt bereits am ersten Tag nach den Sommerferien an, wenn es darum geht, ob man seine Bücher schon besorgt hat, geht bei der leeren Brotbox in der Hofpause weiter und endet meist am Ende des Schuljahres bei einer geplanten Klassenfahrt. Das alles ist eine Belastung für den Geldbeutel und von vielen Familien finanziell nicht zu stemmen. Nicht alle Familien beantragen finanzielle Unterstützung, da es in der Gesellschaft immer noch oft als sozial benachteiligt wahrgenommen wird.

Wird jemand auf Grund seiner sozialen Herkunft benachteiligt, spricht man von Klassismus.

Beispiele aus dem Schulalltag

Im Umgang mit Lehrer*innen:
Wir kennen doch alle die Situation, in der der/die Lehrer*in bei einer „schlechten“ Leistung sagt: „ Das nächste mal muss die Note aber besser werden oder willst du als Bauarbeiter*in/ Kassierer*in/ Müllwerker*in enden?“ Mal abgesehen davon, dass solche Kommentare nicht gerade motivierend für Schülerinnen sind, sind diese Bemerkungen auch noch super klassistisch! Menschen, die auf Baustellen arbeiten, bauen unsere Häuser. Ohne Menschen, die im Supermarkt arbeiten könnten wir nicht einkaufen gehen (Stichwort-> Corona). Ohne Menschen, die unsere Mülltonne leeren, würden sie immer noch da stehen und Plastik und andere Stoffe, könnten nicht recycelt werden. Generell Bemerkungen, die einem Beruf weniger Wert zuschreiben, sind klassistisch.

Im Schulkiosk:
Kennt ihr die Situation am Kiosk, wenn Leute, die du eigentlich gar nicht oder nur flüchtig kennst, fragen, ob man ihnen Geld geben kann? Meistens sagt man dann ungefähr sowas: „Oh tut mir leid, aber ich hab auch auch nur soviel Geld, sodass es für ein Brötchen reicht und ich habe wirklich Hunger. Sorry… (trauriger Blick).“ Meistens ist das mit dem „wirklich Hunger“ etwas übertrieben, aber man möchte ja nichts von seinem Geld an fremde Leute abgeben. Aber was ist, wenn die Leute, die nach Geld fragen, wirklich keines haben und an diesem Tag noch nichts gegessen haben? Dieses Szenario ist gar nicht mal so unwahrscheinlich, denn jedes 10. Grundschulkind und jedes 7. Oberstufenkind geht ohne Frühstück in die Schule und das nicht immer freiwillig.

Vor und während der Klassenfahrt:
Auf die Klassenfahrt wird das ganze Jahr hingefiebert und sie ist eine Art Belohnung für die ganze Klasse und schweißt die Schüler*innen nochmals richtig zusammen. Doch was ist, wenn man gar nicht dabei sein kann? Alle freuen sich und reden über die Pläne und man selbst kann aus finanziellen Gründen nicht mitfahren. Wie bereits oben beschrieben, lassen sich nicht alle Familien finanziell unterstützen, da es von der Gesellschaft als „schwach“ und „asozial“ angesehen wird. Auch wenn man sich finanziell helfen lässt, kann ein Antrag auf Unterstützung bei der Finanzierung der Klassenfahrt abgelehnt werden. Denn es gibt sogenannte Obergrenzen für das Einkommen und wenn dieses über der Obergrenze liegt, wird nicht geholfen. Obwohl es nötig wäre und die Leidtragenden nicht einmal die Verdiener*innen sind, sondern die Kinder. Auch wenn der Antrag angenommen wird, gibt es immer noch Nachteile. Die Kinder, dessen Kosten übernommen wurden, wurden bei mir in der Grundschule immer extra aufgerufen (Zitat: „Und jetzt die Hartz- Kinder“). Im Nachhinein verstehe ich, dass das falsch und unfair von den Lehrkräften war. Ich dachte, meine alte Schule wäre ein Einzelfall, aber nachdem ich verschiedenen Menschen davon erzählt habe, bestätigten sie, dass es bei ihnen genauso oder ähnlich war. Und bei der eigentlichen Finanzierung hört es ja nicht auf. Das Taschengeld für die Fahrt ist z.B. nicht abgedeckt.

Ein Teufelskreis

Klassismus kann bedeuten, in einem Teufelskreis gefangen zu ein.

Hier ist ein Beispiel:

Da in sozial schwächeren Ortsteilen viele Menschen einen Hauptschulabschluss haben, werden die Kinder mit dem Gedanken, einen Hauptschulabschluss zu erlangen, groß. Die Schulen in den bedürftigen Gegenden stellen sich ebenfalls auf dieses Ziel ein. Die Kinder, die auf die Schulen gehen, bilden so eine homogene Gemeinschaft, sie kommen also alle aus sozial und finanziell ähnlichen Verhältnissen. Einen Austausch über andere Pläne als einen Hauptschulabschluss und vielleicht eine Ausbildung gibt es nicht bzw. ist dieser schwierig, da die Kinder oft in ihrem Stadtteil in den Kindergarten, in die Grundschule und dann in die weiterführende Schule gehen. Das war bei euch doch wahrscheinlich auch der Fall, oder?! Viele Kinder wissen außerdem, dass die Chance auf eine Gymnasialempfehlung, ein Abitur oder einen Studiengang gering ist, denn…

… unsere Hilfsangebote sind schlecht:

Die Motivation gute Noten zu schreiben, ist oft nicht da, weil Kinder bereits wissen, dass die Chance einen sozialen Aufstieg zu erlangen, klein ist. Die Eltern helfen meist auch nicht weiter oder können sogar gar nicht helfen, auch wenn sie wollen. Ihnen sind die Hände gebunden, da es an Unterstützungsangeboten fehlt. Die Verunsicherung der Familien bestätigt ebenfalls die Allensbach- Studie (Befragungszeitpunkt: 2014). Diese besagt, dass sich 54% der Eltern aus sozial schwachen Verhältnissen unsicher fühlen, wie sie ihrem Kind am besten in der Schule helfen können. Bei „höher gestellten“ Eltern äußerten nur 24% der Befragten ähnliche Zweifel. Der Studie zufolge haben diese Unsicherheiten Folgen für die Leistungsfähigkeit der Kinder. Einen Ausbau der Informationsangebote für Hilfe in dem Thema Schule wünschen sich 71% der befragten Eltern.

Bist du selbst betroffen oder kennst du eine betroffene Person?

Wenn du selbst betroffen bist, dann ist es wichtig, sich helfen zu lassen. Du kennst eine von Klassismus betroffene Person und möchtest ihr helfen? Dann biete ihr deine Hilfe an. Wenn es zum Beispiel um eine digitale Präsentation geht, kannst du sie fragen, ob sie einen Laptop oder Ähnliches zum Erstellen der Präsentation benötigt und ihr dabei helfen. Oder du lädst sie mal zum Eis essen gehen ein. Es kann ja auch eine Freundschaft entstehen ;). Du musst der Person nicht alle Mahlzeiten oder alle Bücher finanzieren. Meistens reichen auch kleine Gesten aus, um zu helfen. Wir verlinken unten noch ein paar Hilfsangebote und Videos.

Klassismus ist also ein Angriff auf die Persönlichkeitsentwicklung, den beruflichen Werdegang und den späteren sozialen Status. Das ist an der PISA-Studien nachzuweisen, die belegt, dass Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien in den Bildungseinrichtungen nicht genug gefördert werden.

Möchtest du etwas gegen Diskriminierung tun?

Dieser Text zeigt klar, dass strukturelle und institutionelle Rahmenbedingungen Armut und soziale Ungleichheit verursachen und den sozialen Aufstieg verhindern. Es ist an der Zeit etwas dagegen zu tun! Macht euch für von Klassismus betroffene Menschen stark und setzt euch für sie ein! Macht keine Witze über z.B. Müllwerker*innen, Reinigungsleute oder Verkäufer*innen! Redet nicht abwertend über Menschen, die in Bezirken wir Hellersdorf oder Marzahn leben, nur weil sie sich nichts anderes leisten können!

Macht euch gegen Diskriminierung stark und engagiert euch (z.B. bei uns in der SoR- AG). Wir sehen uns 😉

Und hier noch einige interessante Links:

Interview mit dem Soziologen Klaus Hurrelmann: „Wir machen irgendetwas strukturell falsch“.
https://www.deutschlandfunk.de/bildungsarmut-wir-machen-irgendetwasstrukturell-falsch.680.de.html?dram:article_id=421345

Arbeiterkind.de ist ein Netzwerk für Schüler*innen, die als erste in ihrer Familie studieren möchten: https://www.arbeiterkind.de/.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Related Post

Hanau

Neun Menschen wurden am 19.02.2020 in Hanau aus rassistischen Motiven getötet. Gōkhan Gūltekem, Ferhas Ūhvar, Mercedes K., Sedas Gūrbūc, Hamza Kurtović, Kalojan Welkow, Faith Saraçoglu, Said Nessar El Hashemi und Vili Viorel Pāun, die jüngsten waren Anfang 20.  ...

Zusammen gegen Diskriminierung und zusammen für eine offene, solidarische und vielfältige Gesellschaft!

Rassismus ist ein globales Problem. Überall auf der Welt werden Menschen auf Grund ihrer Ethnizität (Hautfarbe, Kultur, etc.) diskriminiert. In vielerlei Hinsicht müssen sie sich dieser im Alltag stellen: rassistische Bemerkungen von Mitmenschen, Nachteile bei der Wohnungs- sowie Jobsuche, verstärkte Behandlung sowie Gewalt durch Sicherheitsbehörden (z. B. Polizei) und, und, und. Die ...